Per Ende November verlässt Altersseelsorgerin Trudy Wey die Spezialseelsorge in Richtung Pension. Ihr 50 Prozentpensum übergibt sie an José Oliveira, der neu 80 Prozent für die Seelsorge im Alter Sorge trägt.
Zum Gespräch erscheinen beide unabgesprochen im fast identischen Dress und lachend herzlich los, als sie das sehen. «Wir waren wohl mit Bluetooth verbunden», scherzt José Oliveira – «Wir leben eben beide in den Tag hinein und lassen uns von dem überraschen, was kommt», erwidert Trudy Wey.
Trudy, wie geht es Dir? Trudy Wey: Mir geht es gut, danke
Hast Du kein komisches Gefühl, dass Du jetzt grundsätzlich und hier im Speziellen aufhörst zu arbeiten? Trudy Wey: Natürlich umgeben mich ab und zu traurige Gefühle. Ich geb’ Dir ein Beispiel. Ich hatte Gottesdienst in einem der Heime und die Leitung und die Aktivierung kamen und überreichten mir einen Blumenstrauss und sagten, sie hätten meine quirlige und oft unkonventionelle Art geschätzt. Sie bedankten sich und da habe ich dann schon gemerkt, dass ich ein oder zwei Tränen verloren habe. Auch verabschiede ich mich später am Tag noch von einer Frau und deren Mann. Ihn habe ich lange palliativ begleitet und das könnte noch schwierig werden; ich bin traurig, dass ich sie nicht weiter begleiten kann.
Wie lange warst Du in Basel tätig? Trudy Wey: Ich weiss es eben nicht mehr genau – ich glaube 5 Jahre war ich hier in der Spezialseelsorge. Allerdgins hatte ich 2011 schon mit Religionsunterricht in Basel angefangen. Es gab dann einen Unterbruch, in dem ich in Olten im Pastoralraum tätig war, aber ich bin länger hier in verschiedenen Funktionen.
Ihr beide arbeitet seit rund drei Jahren im selben Bereich, José mit 30 und Du Trudy mit 50 Stellenprozent. Wie habt ihr eure Aufgaben verteilt und Absprachen getroffen? José Oliveira: Im Bereich der Alters- und Pflegeheime hatten wir klar definiert, wer welche Orte besucht. Und auch im Büro haben wir uns abgesprochen, wer wann da ist und den Arbeitsplatz braucht. Trudy Wey: Ich möchte noch ergänzen, klar hatten wir die Absprachen und ich im grösseren Pensum noch die palliative Care, aber es ging immer unkompliziert, wenn einer von uns krank wurde und wir uns gegenseitig vertreten mussten. Das haben wir immer einfach geregelt und hatten nie das Gefühl, wir trampeln im Garten des anderen herum. Und wir haben auch bei Bedarf kollegiale Intervision gemacht.
Wirst Du diese Möglichkeit vermissen, José, wenn Trudy dann in Pension ist? José Oliveira: Nein, im Bereich der Heime und Häuser nicht. Im Bereich Palliative Care schon, denn das sind oft sehr spezifische Fälle und da wäre es hilfreich zu hören, was wichtig ist. Da werde ich sicher eine andere Möglichkeit zur Super- oder Intervision suchen.
Wirst du die Arbeit vermissen Trudy? Trudy Wey: Ja, das denke ich. Was ich vor allem vermissen werde, ist die spezifische Arbeit – ich liebe die Menschen mit ihren Geschichten. Mit den sonnigen und den schweren Geschichten. Das werde ich vermissen. Aber, und das ist eine Mutmassung, was mir auch fehlen wird, ist das Team. Einem Team anzugehören und die Strukturen zu haben. Das muss ich mir in Zukunft selbst geben auch der Austausch und das zwischenmenschliche, gerade mit jüngeren Menschen, das muss ich mir dann mit der Zeit neu zusammensuchen. Da möchte ich mir Zeit geben, um mich zu positionieren. Und vermissen werde ich das getragen sein im Team, auch von der Chefin, das habe ich immer gespürt hier. Ich komme aus einer grossen Familie, ich bin keine Einzelgängerin.
Der Bereich der Palliative care ist neu bei José. Was beinhaltet das alles? Trudy Wey: Kirchenkommission für palliative Seelsorge. Das ist ein interkonfessionelles Team von drei Personen und trifft sich zweimal im Jahr. Dort werden einerseits Aktivitäten in der Palliativwoche besprochen, aber auch im Sinne der Intervision ausgetauscht. Auch Haltungen werden definiert. Wenn wir beispielsweise angefragt werden, wie wir zu assistiertem Suizid bei einer Person stehen, besprechen wir das. Diese drei Person arbeiten mit der mobile palliativen Onkospitex zusammen. Da geht es um konkrete Begleitungen von Menschen in ganz Basel, die daheim gepflegt und von der Onkospitex begleitet werden. Die Mitarbeitenden fragen immer wieder nach Seelsorge für Klient:innen. Das wird in die Kommission weitergegeben und dort verteilt. Manchmal gehen Anfragen direkt an konkrete Personen in der Kommission. Diese Begleitungen dauern weniger lange; manchmal hat man vier Personen, die man begleitet, manchmal nur eine. Was sicher wichtig ist, dass man sich Kapazität rasch Zeit nimmt, denn diese Menschen sterben vielleicht bald. José Oliveira: Das wird für mich neu. Ich bin in der Seelsorge aufgrund meiner langen Tätigkeit als Seelsorger für die portugiesische Mission ja breit aufgestellt – von der Wieg bis zur Bahre. Doch mit der palliativen Begleitung kommt eine neue Farbe auf die Palette.
Gibt es etwas, Trudy, wo du froh bist, dass du es nicht mehr haben wirst? Z. B. das Pendeln? Trudy Wey: Nein, ich gehe in Pension mit einem wunderbaren Gefühl, dass ich die Arbeit geliebt habe. Alles hat ein Ende, alles hat seine Zeit. Mein Mann meinte allerdings schon, geh manchmal nach Basel. Ich mag die Stadt, sie ist international und das vermiss ich vielleicht. Vom Nebel in die Sonne – von Olten nach BS. Das Pendeln war auch ein Vorteil: wenn mich Sachen belastet haben und ich am Abend aus dem Haus ging und dann mit der Fahrt etwas loslassen konnte, nicht im Herzen, aber eine gewisse Distanz zulassen konnte.
José Du hörst als Seelsorger der portugiesischen Mission nun auf. Wirst Du das vermissen? José Oliveira: Das habe ich seit sieben Jahren gemacht und natürlich ist das meine Heimatsprache und ich habe Kontakte und Freundschaften geschlossen, die halte ich weiterhin. Doch durch drei Kantone zu reisen (AG, BL, BS) und das jetzt auf einige Heime in einer Stadt zu reduzieren, ist gut. Ich bin immer noch mobil und an verschiedenen Orten, aber kleinräumiger. Trudy Wey: Was wirklich gut ist: José wird den interkulturellen Bereich abdecken können.
Ist das notwendig? José Oliveira: Es war gut, dass ich mit vielen anderssprachigen Missionen unterwegs war. Man trifft sich wieder in den Altersheimen. Auch Pflegende und die Putzkräfte sind meistens anderssprachig – ich kenne das Netzwerk und kann vermitteln, auch wenn ich die Sprache selbst nicht spreche. Es ist die zweite Generation und die kommt jetzt in die Altersheime Trudy Wey: Fremdsprachen wie Französisch und Italienisch sind besonders in Basel wichtig. Ich hatte immer wieder mit Menschen zu tun, deren Muttersprache eine andere ist, und deshalb habe ich gespürt, wie wertvoll solche sprachlichen Brücken sind. Wir haben viele Schweizer, die eine andere Landessprache als Muttersprache haben, und in Zukunft werden neue Sprachen dazukommen – etwa Türkisch, Albanisch oder Tigrinya. Auf jeden Fall haben wir mit José jetzt jemanden, dessen Muttersprache Portugiesisch ist und der noch über andere Sprachenkenntnisse verfügt. Selbst kleine Wortfetzen in den verschiedenen Sprachen helfen und öffnen das Herz der Menschen. Genau darum ist jede zusätzliche Sprache ein Türöffner, besonders in der Altersseelsorge. José Oliveira: Da werde ich zwar sicher noch mehr lernen, gerade italienisch, aber das Netzwerk habe ich. Vor allem bei Demenz ist es aber eine andere Sprache, die wichtig ist – Musik. Ich habe eine Zungentrommel. Musik ist verbindende Sprache.
Setzt Du schon lange Musik ein? José Oliveira: Ja, die Musik gehört für die Menschen dort zu den Momenten, wo wir Gottesdienst feiern und ist wichtig für die Menschen, die dort leben. Trudy Wey: Ich schaue, dass ich gebräuchliche Kirchenlieder singe, die sie dann sicher kennen von früher. Eine Frau, die vielleicht nicht spricht, singt dann plötzlich. Das berührt mich sehr. Gebete und Lieder bleiben – ich habe einer Freundin erzählt, dass ich oft das Vater Unser bete. Sie war irritiert, doch das ist das Gebet, welches die alten Menschen von frühester Kindheit her kennen. Nur wenige vergessen das. Auch am Sterbebett ist es das wichtigste Gebet.
Habe ich noch etwas vergessen zu fragen. José Oliveira: Ich habe für den Moment alles gesagt, für mich ist es gut so. Trudy Wey: Mir ist es wichtig, noch vom Kochen in der Trauer zu erzählen. Das ein wirklich schönes Projekt war. Das habe ich drei Jahre etwa angeboten. Einmal im Monat an einem Tag haben Menschen in Trauer gemeinsam gekocht und gegessen. Das hat Menschen zusammen an einen Tisch gebracht, die schweren Zeiten des Verlusts erleben und sich gegenseitig stützen konnten.
Gibt es etwas, worauf du dich freust, weil du mehr Zeit dafür hast? Trudy Wey: Ja klar, ich freue mich darauf, künftig mehr Zeit in der Natur verbringen zu dürfen. Besonders viel Freude bereiten mir dabei Aktivitäten wie Wandern, Radfahren und Langlaufen.
Gespräch und Fotos: Kommunikation RKK BS - Anne Burgmer - 2. Dezember 2025