Fünf Jahre hat Martin Föhn SJ in der Spezialseelsorge den Bereich Spiritualität&Bildung mit Inhalt und Leben gefüllt und mit seiner Persönlichkeit geprägt. Nun verlässt er Basel-Stadt um in Portland (Oregon) das Terziat, die letzte Ausbildungsstufe der Jesuiten zu erleben.
Wer mit Martin Föhn ihm Gespräch ist, erlebt deutlich den Unterschied zwischen einer Reaktion und einer Antwort. Die Reaktionen sind schnell, ungefiltert – decken die Bandbreite von Lachen (häufig) bis gerunzelte Stirn (selten) ab. Die Antworten kommen erst nach einigen Sekunden Stille und Nachdenken. Manchmal gibt er auch keine Antwort – weil er (noch) keine Antwort hat.
Hast Du dich verändert in dieser Zeit und gibt es Überzeugungen, die stabiler oder «wackeliger» geworden sind?
Martin Föhn: Ich glaube schon, dass ich in den fünf Jahren nochmal an Selbstsicherheit gewonnen habe. Und ich bin nach wie vor überzeugt, dass wir als Menschheit in einem Prozess des Bewusstwerdens sind. Es geht um Bewusstseinsentwicklung. Was ich merke, wo ich unsicherer geworden bin, ist zum Beispiel die Entwicklung der Kirche. Ob sie – so wie sie im Moment ist – antwortfähig ist für die Fragen der Menschen. Dabei hat sie im Grunde viele Antworten. Aber sie geht zu wenig in die Tiefe, an den Grund dessen, was die Botschaft Jesu Christi war. Er hatte Freude am Experimentieren, hat Gesetze, die nicht mehr sinnvoll waren, nicht eingehalten und ganz bewusst übertreten, wo sie dem Menschen nicht gedient haben. Ich wünsche der Kirche den Mut, das auch so zu machen, anstatt in Gewohnheiten zu verharren. Es erscheint mir so, dass die Kirche Angst hat, Neues auszuprobieren, weil sie Angst hat das Alte zerbricht komplett; sie hat Angst oder vielleicht auch keine Kraft ins Gespräch zu gehen.
Ins Gespräch mit wem denn?
Mit allen möglichen Menschen, die spirituell unterwegs sind, aber vielleicht auf ganz anderen Wegen. Mit Leuten, nicht nur aus anderen Religionen, die auf einem Herzensweg unterwegs sind – Schamanen, Esoterikern – allen, die eine persönliche Spiritualität entwickeln und leben. Ich wünsche mir, dass Kirche wirklich zuhört, was diese Menschen zu sagen haben, anstatt sofort zu sagen: Wir haben die einzig wahre Antwort. Da habe ich eher erlebt, dass Kirche ihres verteidigt, anstatt zu schauen, ob diese anderen nicht auch dem Heiligen Geist folgen, einfach auf ihre Weise.
Es gibt hier und anderswo viele Kolleg:innen, die das machen und sehr offen sind. Scheitern diese dann an der Schwerfälligkeit der Organisation Kirche?
Ich habe das Gefühl, die bekommen keine grössere Plattform zum Experimentieren. Nochmal: Es wird zu wenig ausprobiert, es werden zu wenig Bereiche geschaffen, in denen Menschen einfach ausprobieren können, und zwar auf eine Weise, die weniger komplex ist als beispielsweise die Eucharistiefeier. Es geht um einfacher und anders. Und es gibt im Ritualbereich ausserhalb der Kirche mittlerweile viele Kompetenzen, da sind wir fast abgehängt. Warum arbeiten wir nicht mit denen zusammen, geben ihnen Raum. Unsere Kirchen werden ja immer leerer.
Du hast in den fünf Jahren Basel-Stadt allein und mit anderen gemeinsam experimentiert. Wo blickst Du zufrieden zurück?
Die neue Konzipierung von Stille in Basel zusammen mit OFFLine in Don Bosco letztes Jahr war eine sehr gelungene Sache. Zwölf Stunden rund um Stille mit verschiedenen Workshops spirituellen Impulsen. Ewas anderes war die Klimameditation – eine Gruppe, die sich einmal im Montag getroffen und Laudato si meditiert und im Anschluss in Austausch über Klimathemen gegangen ist. Ein drittes ist der W.E.G. – damit einen Ort zu schaffen, gerade für die Missiones, der ein Vielvölkerfest wurde. Eine Aktion, die einerseits mit dem Symbol Gottes auf die Strasse ging und andererseits Leute zusammengebracht hat. Gleichzeitig hat der W.E.G. deutlich gemacht, wie beladen mit Traditionen eine Prozession um Fronleichnam ist und wie schwer es Menschen fällt, das in einen neuen Rahmen zu übertragen, neu zu deuten. Das ist sicher auch eine Frage: Können wir überhaupt etwas wirklich Neues schaffen?
Der Jesuit setzt auf Vernetzung: Man könne Neues nicht allein schaffen. Mit den andere 50 Prozent Arbeitszeit war Martin Föhn über Basel hinaus tätig. Als ein Beispiel führt er die App «einfach beten» der Jesuiten an, die in deutscher Sprache den Raum Schweiz, Österreich, Deutschland abdeckt. Die App zeige, dass man Sachen für Leute weiter draussen anbieten müsse. Spirituell digital – nicht spirituell territorial.
Martin Föhn denkt das konsequent weiter: Das, was helfe das Reich Gottes aufzubauen, sei zu tun. Da wo eigene Fähigkeiten und Talente, wo Kraft, Energie und Lebendigkeit seien, gelte es weiterzugehen. Dann sei es irrelevant, ob man Teilzeit oder Vollzeit, in nur einem oder gar zwei Berufen tätig sei. Das Bewusstwerden des Menschen/der Menschheit sei eine stete Ausdifferenzierung, die in eine nicht-duale Sichtweise und Lebenshaltung führen könne. Eine nicht-duale Sichtweise heisst: Gleichzeitigkeit erfahren und verstehen. Es gibt kein Entweder-Oder mehr, sondern alles wird von der Gewissheit getragen, dass das Leben ein Sowohl als-auch ist; ein gleichzeitig alles. Martin Föhn spricht engagiert und mit Eifer über dieses Thema – strahlt Energie und Lebendigkeit aus.
Was ist die Kraft, die Dich zieht oder antreibt und gibt es etwas, wo Du sagts: Da zweifle ich?
Ein Bild hilft vielleicht als Antwort: Es gibt nur eine Kokosnuss und alles andere sind Peanuts. Es gibt nur einen wichtigen Punkt und das ist Gott. Es gibt eine Quelle des Geistes, der Liebe, aus der entsteht alles und aus der wird alle immer wieder erneuert. Wir können die Quelle nicht fassen aber es gilt, sich auf diese Quelle auszurichten und sich von ihr zu ernähren. Diese Quelle, Gott, Jesus Christus, der Heilige Geist, hält auch alles zusammen, damit es nicht auseinanderreisst, aus dieser Quelle kommt Hoffnung. Und Zweifel? Ja, ich habe grosse Zweifel an der Menschheit, an dem, wie es weitergeht, weitergehen soll. Wenn ich den Menschen als Individuum in Raum und Zeit, hier in der Welt, anschaue zweifle ich. Gleichzeitig ist da etwas Göttliches und aus dieser Perspektive sind wir sowas von unwichtig. Da denke ich: Das, was ich tue, ist sowas von nichts. Aber das bisschen, was ich machen kann, hier und jetzt, das mache ich. Da wo ich Energie spüre, und die spüre ich, wenn ich auf Jesus schaue, da möchte ich was machen. Da sollten wir uns hingeben und verschwenden.
Du hast vier Wünsche frei: Einen für Dich, einen für die RKK BS, einen für Deine Nachfolgerin und einen für die Welt/Schöpfung. Wie lauten sie?
Für die RKK BS wünsche ich, dass sie weiter experimentiert, mehr experimentiert und merkt, was für ein toller Platz Basel-Stadt ist, mit tollen Leuten. Dass sie weiterhin für die Leute da ist, so gut es eben geht in dem Bewusstsein, wir sind Christen und Christus ist auferstanden und lebt. Meiner Nachfolgerin wünsche ich Kraft und Freude, dass sie sich entfalten kann, sie ihren Ort findet auch im Team und viele schöne Begegnungen erlebt. Für die Welt wünsche ich, dass sie sich auf die Quelle des Lebens ausrichtet, was immer das ist. Und für mich…da weiss ich in der Tat selbst noch nicht genau, wie der Wunsch aussieht.
Welche Dinge gehören fest zu Dir, die Du auch in die USA ins Terziat mitnimmst und worauf freust Du Dich besonders?
Gilt Handy? Also mein Handy und ich glaube mein Noviziatskreuz, das begleitet mich seit meinem Ordenseintritt und mit dem verbinde ich viel. Ansonsten bin ich mit leichtem Gepäck unterwegs. Freuen tu ich mich auf die grossen Exerzitien – 30 Tage im Schweigen. Ich erwarte nicht, dass die einfach werden, doch da nochmal Zeit zum Gebet haben, um sich auszurichten, das freut mich. Die Landschaft der USA ein bisschen kennenzulernen ist auch Grund für Freude.
Gibt es noch etwas, was Dir wichtig ist zu sagen?
Es war schon eine tolle Zeit hier in Basel. Ich werde Basel vermissen. Schwerfallen ist eigentlich das falsche Wort, doch es ist mir schon länger nicht mehr so schwergefallen, einen Ort zu verlassen. Von den Leuten her und der Stadt. Es ist vieles stimmig, überschaubar und ich habe mich vorher noch nie so wohl in einer Stadt gefühlt. Ich bin sehr dankbar für die Zeit hier. Ich habe das Gefühl, ich konnte vieles ausprobieren und mich selbst noch besser kennenlernen, von daher war es sehr gut.
Kommunikation RKK BS - Anne Burgmer - 24. Juli 2025