Willkommen im Pastoralraum, Jörg Harald Werron


Ein bisschen hat es gedauert, doch jetzt ist klar: Ab September hat die Offene Kirche Elisabethen (OKE) wieder eine doppelt besetzte theologische Leitung. Anders als zuvor wird ein Mann römisch-katholischer (Co-)Leiter werden. Jörg Harald Werron aus Frankfurt a. M. wird gemeinsam mit dem reformierten Pfarrer Frank Lorenz die älteste Citykirche der Schweiz leiten. Als Teil der Spezialseelsorge des Pastoralraums Basel-Stadt heissen wir ihn herzlich willkommen.

Jörg Harald Werron (Foto Dominik Buschardt)

Bitte stell Dich doch kurz vor.
Ich bin Jörg Harald Werron. Alle Namen sind bedeutsam. Im persönlichen Gespräch erzähle ich gerne mehr dazu. Geboren 1967 in Saarbrücken, lebe ich als Exilsaarländer seit 35 Jahren im Rhein-Main-Gebiet. Begonnen hat alles mit dem Studium der Praktischen Theologie in Mainz. Seit 32 Jahren bin ich als Gemeindereferent in Gemeinde, Schule, Pfarreileitung und in der Citypastoral tätig gewesen. Des Weiteren arbeite ich seit 20 Jahren als Theaterpädagoge und Schauspieler freiberuflich.

Worauf freust Du dich, wovor hast Du Respekt?
Ich freue mich gerade, dass ich alle organisatorischen Angelegenheiten für den Umzug Schritt für Schritt erledigen kann. Und bin überrascht, dass es mir so gut gelingt. Vor allem freue ich mich auf alles Neue, was mir in Basel zufällt: Das Team, die Kirche, die Umgebung, die Stadt und natürlich die neuen Aufgabenfelder. Und davor habe ich Respekt: Werde ich sie gut meistern können? Werde ich mit meiner Lebensart gut ankommen? Werde ich meine vielseitigen Aufgaben gut miteinander verbinden können?

Was hat Dich geprägt – theologisch, spirituell?
In meinem Leben und besonders an speziellen Wendepunkten des Lebens haben mich spirituell in erster Linie Wegbegleiter:innen aus der Heimatgemeinde, aus dem Studium der Theologie und der Theaterpädagogik und aus den unterschiedlichen kirchlichen Arbeitsfeldern geprägt. Alle haben Anteil an meinen persönlichen Veränderungen, an meiner spirituellen Tiefe. Ich bin der, der ich nun bin: Ehrlich direkt, offen und herzlich, locker leicht, echt und bunt, einfach zufrieden, still und dynamisch, aufgeräumt zugewandt, berührend charmant. Begeistert bin ich vom Theologen und Psychologen Wunibald Müller, dessen Bücher und persönliche Hilfen beeindruckten und mich stark machten.

Was glaubst Du, braucht die Kirche, um gut in die Zukunft zu gehen?
Kirche hat Zukunft, davon bin ich überzeugt, wenn wir uns mit einem positiven Blick den Menschen zuwenden. Wenn wir bereit sind, Neues zu wagen, angstfrei aufeinander zuzugehen, Experimente auszuprobieren ohne Altbewährtes ganz aus dem Blick zu verlieren. Die Zukunft der Kirche zeigt sich darin, ob es uns gelingt, mit unkonventionellen Angeboten Menschen verschiedenster Lebens- und Glaubensmuster anzusprechen. Kirche hat Zukunft, wenn unsere Gottesdienste nicht blutleer, geschmacksneutral und ohne Zusatz von Lebensinhalten daherkommen. Kirche hat Zukunft, wenn sie sich an ungewohnten Orten ereignet, wenn wir Menschen glaubwürdig und respektvoll begegnen und wir endlich lernen, uns mit uns selbst zu versöhnen.
Ganz konkret heißt das für mich: Den kirchlichen Binnenraum zu verlassen und den Menschen nah zu sein. Nicht zähneknirschend durchs Leben wandern, sondern mit offenen Augen und einladenden Gesten unter den Menschen leben. Sinnliche Momente zulassen, kontrovers und fair diskutieren, einander ergänzen und uns in unserer Einmaligkeit gutheißen. Der Dogmatiker Bernd Jochen Hilberath gibt in seinem Buch Bei den Menschen sein die passende Antwort: Es ist die letzte Chance der Kirche. Glaube hat für mich nicht nur etwas mit dem Kopf zu tun, er muss für den Menschen erfahrbar sein.

Gibt es etwas, was Du nach einer Zeit des Ankommens/Kennenlernens ausprobieren möchtest an der OKE?
Raus auf die Straße gehen. Als Seelsorger, als ein Teil der Kirche, als Christ will ich sichtbar sein. Ich kann mir gut vorstellen, mit innovativen Projekten und Aktionen mitten in die Stadt hineinzuwirken. Viele unserer wertvollen Dienste finden im Verborgenen statt. In einem geschützten Raum. Das ist gut so. Doch wir dürfen uns auch zeigen. Wie ich das Konzept der OKE verstanden habe, ist das unter den Menschen sein ein besonderes Merkmal ihrer Arbeit. Darauf will ich gerne aufbauen.

Was sind Talente und Fähigkeiten, die Dir überall und immer verlässlich Türen öffnen?
Mit humorvollen, herzlichen und wachen Augen lassen sich Türen zu Menschen gut öffnen. Ich bin ein Mensch, der mit diesen Eigenschaften bisher Teams zu guten Leistungen motiviert und gefördert hat. Dabei ist sehr entscheidend, dass die gegenwärtigen Impulse der Teams im Tun Anklang finden. Für mich ist eine wertschätzende, vertrauensvolle und kooperativ-aufgeschlossene (Arbeits-)Atmosphäre der Schlüssel für ein gutes Miteinander. Und das Wichtigste: Am Morgen ziehe ich mein schönstes Gesicht auf. Die Grundvoraussetzung für die vielfältigen Beziehungen im Alltag. Einfach Ich sein.

Was sind Stärken und Schwächen?
Stärken: Organisationstalent, Zuverlässigkeit, optimistische und lösungsorientierte Haltung, ästhetisches Empfinden, mutig Neues ausprobieren, Gesichter und Namen merken, Flexibilität, Eigeninitiative, Belastbarkeit, Teamgeist, gutes Wahrnehmen, 10-Finger Schreibsystem, Kreativität. - Schwächen: Wenn die Technik nicht so will, wie ich es will, kann ich ungeduldig werden. Ungerechtes oder egoistisches Verhalten, da kann ich sehr impulsiv reagieren. Ist das jetzt eine Schwäche oder Mut?

Du wanderst für die Stelle ja aus Deutschland in die Schweiz: Was weisst Du schon über Land und Leute – worauf bist Du neugierig?
In meinem Leben war ich immer wieder zu Gast in der Schweiz. Bei Freunden im Aargau, bei einer Kinderfreizeit im Wallis, bei Städtereisen in Bern, Basel und Zürich. Und ich liebe den Rheinfall bei Schaffhausen. Ein Naturereignis, das mich echt fasziniert und staunen lässt. Alex Capus, Franz Hohler und Peter Stamm gehören zu meinen Lieblingsautoren und bereichern meine Bücherregale. Ich freue mich sehr, Land und Leute weiter kennen zu lernen, Kultur und Kunst zu erleben. Besonders neugierig bin ich auf spezielle Eigenheiten des Landes, was die Menschen hier auszeichnet und wie die Kirchen in der Schweiz ihr Christsein leben.

Gibt es etwas, was ich vergessen habe zu fragen und Du gerne sagen möchtest?
Ja!

Zum Beispiel die wichtigsten Dinge außerhalb der Arbeit: 
Freunde besuchen, lesen, Rad fahren, Städtereisen, Feldenkrais, Spieleabende, gutes Essen, Theater- und Museumsbesuche, Freiräume spontan gestalten und genießen.

Kraftorte, die mich im Leben stärken:
So gerne ich mit Menschen zusammen bin, so sehr schätze die Verabredung mit mir selbst. Achtsame Momente, die mir helfen, meine innere Balance zu halten, sind meine jährlichen Auszeiten im Carmel de la Paix in Burgund, meine körperlichen Präsenzübungen wie Feldenkrais. Ich liebe diese Augenblicke mit mir in der Meditation und im Gebet. Als Seelsorger ist es eine Bereicherung, sein Leben immer wieder neu vor Gott anschauen zu dürfen und sich selbst auf die Spur zu kommen. Auch wenn es schmerzlich ist. (Jede gemachte geistliche Entdeckungsreise ist eine kostbare und prägende Erfahrung, die mich als Mensch unter Menschen leben lässt. Der bekannte Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner drückt es so aus: Wer in Gott eintaucht, taucht bei den Menschen wieder auf.)

Wenn ich meinen Kühlschrank öffne, sehe ich:
Oliven und Schafskäse, viel leckeres Obst und eine Flasche Crémant für Gäste.

Kommunikation RKK BS - Anne Burgmer - 24. Juli 2025