Lange war Carsten Gross in verschiedenen Funktionen und an verschiedenen Orten in Basel tätig. Nun geht er in Pension. Zum Abschied schaut er zurück, gibt Beispiele für Schönes und Schwieriges und rät zu Gelassenheit für die Zukunft.
Wie lange warst Du für die katholische Kirche im Raum Basel tätig?
Im Jahr 1988 kamen meine Frau und ich im Anschluss an das Theologiestudium nach Basel. Unterdessen sind es also 37 Jahre, dass ich als Seelsorger in Basel tätig bin. Wir starteten im Jobsharing im Leitungsteam vom Offenen Haus B18, einem Treffpunkt für junge Erwachsene der RKK in der Burgunderstrasse und wurden nach 6 Jahren von Bischof Otto Wüst gefragt, ob wir uns ein Co-Pfarreileitung vorstellen könnten. Das konnten wir und so wurden wir 1994 das erste nicht priesterliche Gemeindeleiterehepaar in St. Michael im Basler Hirzbrunnenquartier. Damals herrschte eine wunderbare Aufbruchstimmung in der Kirche. Insgesamt war ich dann mehr als 20 Jahre in der Basler Pfarreiseelsorge tätig und wechselte 2015 ans Unispital als Spitalseelsorger.
Du bist an verschiedenen Orten und in unterschiedlichen Rollen als Seelsorger im Raum Basel tätig gewesen. Was hat sich in den Jahren in der RKK BS verändert und was ist gleichgeblieben?
Unterdessen ist die erwähnte Aufbruchstimmung der 1990er-Jahre lange verflogen. Ich weiss noch, als wir 1995 in der Juni Synode der RKK eine Resolution verabschiedet hatten für die Abschaffung des Pflichtzölibats: Die Synode forderte im ersten Schritt die Einführung der «viri probati» (verheiratete Männer können zu Priestern geweiht werden) und zugleich das Diakonat von Frauen. Grossartig! Damals votierten 52 Synodale dafür; es gab nur 4 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen. Leider wurde das Ziel bis heute nicht erreicht. Anfang der 2000er-Jahre wechselte der Wind und die konservativen Kräfte erstarkten zusehends. Was gleichgeblieben ist: Wir erarbeiten seit Anfang der 1990er-Jahre bis heute (!) regelmässig alle paar Jahre neue pastorale Konzepte und Visionen: Ecclesia semper reformanda. Das braucht viel Energie, ist zugleich aber wichtig. Das Zweite Vatikanische Konzil hat zurecht gefordert, dass die Kirche je in ihrer Zeit und in ihrer Ortskirche die Zeichen dieser Zeit erkennen soll.
Gibt es Erlebnisse, die Du mit Dir trägst?
Ich habe sehr viele schöne und bleibende Erinnerungen an die Zeit in der Pfarrei im Herzen. Besonders die Arbeit mit Kindern und Familien in den Pfarreien St. Michael und Heiliggeist mit vielen Freiwilligen bleibt mir unvergessen. Geistliche Musik bedeutet mir sehr viel: Ich hatte das grosse Glück, immer in Pfarreien zu arbeiten, in denen die Kirchenmusik eine wichtige Rolle spielte. Sowohl in der Pfarrei wie auch in der Spitalseelsorge hatte ich Begegnungen bzw. Begleitungen von Menschen, die in ihrer Kindheit von Priestern missbraucht worden waren. Das hat mich selbst sehr betroffen gemacht. Ich bin froh, dass das Bistum Basel unterdessen Fachkräfte angestellt und Wege geschaffen hat, diesen Missständen nachhaltig zu begegnen, auch alte Fälle aufzuarbeiten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Leider ist es so, dass in der weltweiten Kirche das Wechselspiel zwischen Vertuschung und Aufdeckung von Missbrauchsfällen zu einem eklatanten Vertrauensverlust gegenüber der Kirche geführt hat, der über Generationen anhalten wird.
Du kannst vergleichen zwischen Pfarreiseelsorge und Spezialseelsorge - was ist sich bei beiden ähnlich, was ist ganz anders?
Begegnung mit Menschen auf Augenhöhe war mir stets wichtig – in allen seelsorglichen Situationen bis heute. Und genauso wichtig ist es, den «Empörern» in allen kirchlichen Bereichen mit Geduld zu begegnen. Die Pfarreiseelsorge ist vielfältiger und anspruchsvoller und die Erwartungen an kirchliche Mitarbeiter:innen oft bodenlos gross geworden. Hier müssen sich aktuelle und zukünftige Seelsorgende - unterstützt durch den Arbeitgeber und das Bistum - im Sinne der Selbstsorge gut schützen. Es ist leichter zu allem «Ja und Amen» zu sagen als manchmal beherzt: «Nein und Halleluja» (H. D. Hüsch). Als ich von der Pfarrei- und Pastoralraumleitung in die Spitalseelsorge wechselte und mich auf ein Arbeitsfeld konzentrieren konnte, habe ich dann als grosses Privileg empfunden.
Was würdest Du auf Grundlage Deiner Erfahrungen den Menschen, die in der Kirche engagiert sind - ob hauptamtlich oder ehrenamtlich - mit auf den Weg für die Zukunft geben?
Schmunzelig mit Karl Valentin gesagt: «Die Zukunft war früher auch besser». Es wird eine Zukunft der Kirche geben und wir dürfen dem Heiligen Geist vertrauen. Ich glaube, dass jede Generation eine prophetische Dimension für die Kirche hat, insbesondere durch junge Menschen. Die kath. Kirche ist fraglos in einer schweren Krise. Wir alle sind gefordert. Mir hilft in solch schwierigen Zeiten ein Bibelvers aus dem Johannesevangelium: «Euer Herz lasse sich nicht verwirren, glaubt an Gott und glaubt an mich», spricht Christus (Joh 14,1). Und der Gründer der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé, Frère Roger, hat einmal gesagt: Lebe das, was Du von Jesus verstanden hast.
Dass dir im sogenannten Ruhestand langeweilig wird, ist wohl eher unwahrscheinlich - worauf freust Du dich jetzt besonders?
Ich freue mich nun mehr Zeit zu haben für meine Familie in vier Generationen, für handwerkliche Tätigkeiten und auch für Musik und Kultur. Mit meiner Frau habe ich im Sinn, nächstens ein paar kleine Reisen zu machen. Nach Rücksprache mit Bischof Felix, dem Personalamt und der Basler Pastoralraumleitung bleibe ich Basel und der Region bis auf weiteres als Seelsorger erhalten: Für punktuelle Einsätze wie z. B. für Gottesdienste oder kurzzeitige Stellvertretungen.
Kommunikation RKK BS - Anne Burgmer - 24. Juli 2025